Nutzt du ChatGPT regelmäßig als Assistent für deine SEO-Aufgaben? Ich auch. Doch wie menschliche Assistenten ist ChatGPT nicht für alle Aufgaben gleich gut geeignet. In diesem Beitrag erfährst du, wo dich generative KI unterstützen kann und wann du besser den herkömmlichen Weg gehst.
Inhalt
Um zu verstehen, wo die Grenzen dieser Tools liegen, müssen wir etwas in die Funktionsweise dieser “KI” eintauchen.
👱 Über den Autor:Michael Hohenleitner ist SEO-Berater, Coach, Data Analyst und geschäftsführender Gesellschafter der StrategieVier GmbH. Davor war er bei namhaften Unternehmen wie Sixt und SportScheck als Senior SEO Manager tätig.
Viele der aktuellen Schwächen von ChatGPT bzw. den Sprachmodellen, auf denen es basiert, sind dir sicher schon bekannt:
- Halluzination: ein Sprachmodell kann dir (theoretisch) auf jede Frage eine Antwort liefern. Das liegt an der Funktionsweise von generativer KI (siehe nächster Abschnitt) und führt dazu, dass Inhalte manchmal erfunden werden.
- Zurückhaltung bei Wertungen: Bei Fragen nach Personen oder Dingen, die eine Wertung beinhalten, gibt ChatGPT eine ausweichende Antwort. Das ist aber nicht den Fähigkeiten des Modells geschuldet, sondern wurde manuell hinzugefügt. Das gilt auch für ausfällige Sprache.
- Bias: Jedes Sprachmodell ist nur so gut, wie seine Trainingsdaten. Zwar wurden die Modelle, auf die ChatGPT zugreift, mit sehr vielen Daten trainiert, dennoch kann dies zu Verzerrungen führen. Vermutlich sind die Inhalte der Trainingsdaten nicht frei von Fehlern, Vorurteilen oder Marginalisierungen.
- Veraltete Daten: Die Daten des aktuellsten Modells GPT-4 reichen nur bis September 2021.
- Kein Zugriff auf das Internet: Weder ChatGPT noch die dahinterliegenden Sprachmodelle können auf das Internet zugriffen und von Webseiten oder externen Tools Daten verwenden. Plugins sollen das in Zukunft möglich machen.
- Rechenschwäche: Das ist zwar mittlerweile besser geworden, aber auch im Mai 2023 kann GPT4 keine vierstelligen Zahlen korrekt multiplizieren.

Wie funktioniert generative KI überhaupt?
ChatGPT ist in kürzester Zeit zu einem Synonym für generative KI bzw. generative Sprachmodelle (auch bekannt als Large Language Models) geworden, ähnlich wie Tempo für Papiertaschentücher.
Die Technologie hinter ChatGPT ist nicht neu. ChatGPT selbst ist auch gar kein eigenes Sprachmodell, sondern lediglich ein Interface, das über eine Schnittstele (API) mit den Sprachmodellen (GPT-3 und GPT-4) von OpenAI kommuniziert. So machen das auch zahlreiche andere KI-Tools, die aktuell den Markt fluten.
Die Sprachmodelle selbst basieren auf neuronalen Netzen, einem mathematischen System, das Fähigkeiten erlernt, indem es statistische Muster in riesigen Datenmengen (z.B. Textdaten wie im Fall der GPT-Modelle) findet. Bereits seit 2018 werden neuronale Netze mit gigantischen Textmengen trainiert.

Drei Dinge haben jedoch dafür gesorgt, dass sich ChatGPT weiter verbreiten konnte als seine Vorgänger:
- Verfügbarkeit: Generative KI war plötzlich für alle verfügbar.
- Dialogfähigkeit: Durch den Chatbot-Ansatz war ChatGPT deutlich attraktiver in der Nutzung als ein reines Sprachmodell, das lediglich auf Basis eines Prompts einen Text generieren kann.
- Plausibilität: Was auch immer von ChatGPT kommt, klingt äußerst schlau und plausibel, selbst wenn es faktisch falsch ist.
Woher kommt das?
Auch wenn der Begriff künstliche Intelligenz zurzeit in aller Munde ist, haben diese generativen Sprachmodelle weder Intelligenz noch Verständnis von irgendetwas. Vielmehr geht es darum, anhand von statistischen Wahrscheinlichkeiten das nächste Wort vorherzusagen.
Beispiel: Bei der Frage nach den Gästen der Sendung “Wetten Dass” aus dem Jahr 2007 lässt sich sehen, wie GTP-3 anhand von Wahrscheinlichkeiten die Namen schätzt:

Dass ChatGPT so überzeugend klingt, liegt vor allem an zwei Dingen:
- Die gigantische Menge an Trainingsdaten: GPT-3 und vor allem GPT-4 wurden mit vielen Milliarden Texten trainiert. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Modell zu jeder Anfrage etwas zu sagen hat, deutlich.
- Die Transformer-Technologie ermöglicht es dem Modell, nicht nur auf einzelne Wörter zu reagieren, sondern auch mehrere Texte gleichzeitig zu analysieren und anhand von Scoring-Daten zu ermitteln, was als Nächstes kommen soll.
Wenn das Modell einen Text generiert, kommt dabei eine sogenannte “Next Word Prediction” zum Einsatz. Diese ist mit einem Zufallsfaktor versehen, der dafür sorgt, dass bei derselben Anfrage unterschiedliche Ergebnisse erscheinen. Diese Funktion hast du auch schon genutzt, wenn du den “Regenerate response” Button bei ChatGPT gedrückt hast. Das wird noch wichtig.
Wird der Zufallsfaktor (“Temperature”) bei der Verwendung von GPT-3 erhöht, ändert sich die Reihenfolge bei den Gästen von “Wetten Dass” und es tauchen Namen auf den vorderen Plätzen auf, die einen recht geringen Score haben:

Im OpenAI Playground und in der API von GPT-3 lässt sich dieser Zufallswert auf 0 setzen und einen quasi deterministischen Output erzeugen. Im Interface von ChatGPT geht das nicht.
Wir halten also fest:
- ChatGPT ist ein Interface einer generativen KI bzw. eines Large Language Models, das anhand von statistischen Wahrscheinlichkeiten Texte generieren kann. Nicht mehr und nicht weniger.
- Generative KI hat keine Intelligenz oder Verständnis von Texten: Es geht mehr um Plausibilität als darum, korrekte Informationen zu liefern.
- Dank eines Zufallsfaktors in der Next Word Prediction kommen auch bei identischen Anfragen unterschiedliche Ergebnisse zustande.
Jetzt, wo die grundlegende Funktion von generativer KI klar ist, schauen wir uns an einigen Beispielen an, wie sich das auf die Nutzung im Zusammenhang mit SEO auswirkt.
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Finger weg von (generativer) KI bei diesen SEO-Aufgaben
Für mich gilt die klare Regel: sobald etwas mit Daten zu tun hat und ich auf korrekte Ergebnisse angewiesen bin, nutze ich keine generative KI.
Warum?
Ganz einfach: wie oben beschrieben werden durch die Sprachmodelle Wörter anhand statistischer Parameter aneinander gehängt, sodass sie einen sinnvoll klingenden Satz ergeben. Bei Zahlen ist es ganz genauso. Auch diese werden per Zufall generiert. Ein sind ein paar Beispiele:
Keyword-Recherche
Wie groß der Faktor Zufall bei ChatGPT ist, lässt sich zeigen, indem du das Tool bittest, eine Keyword-Recherche zu erstellen. Zwar sieht die Tabelle sehr schlüssig aus, doch wenn du den “Regenerate Response”-Button drückst, wirst du eine vollkommen andere Liste erhalten.


Das liegt zum einen am Zufallsfaktor, der in ChatGPT inhärent ist, aber auch daran, dass das Tool keinen Zugriff auf tatsächliche Daten bezüglich des Suchvolumens hat. Dreister weise behauptet ChatGPT, die Daten aus dem Google Keyword Planner zu haben.
👉 Wie ich eine Keyword-Recherche durchführe, zeige ich dir im Beitrag “So entwickelst du eine effektive Keyword-Recherche-Strategie für deine SEO“.
Keyword-Clustering
Keyword-Clustering ist ein wichtiger Teil der Keyword-Recherche, bei dem Keywords thematisch gruppiert werden. Beim Clustering wird unter anderem entschieden, ob für ein Keyword eine eigene Seite angelegt wird, oder ob es von einer anderen Seite abgedeckt werden kann.
Um das zu entscheiden, wird geprüft, wie sehr sich die Suchergebnisse der beiden Keywords unterscheiden. Da ChatGPT keinen Zugriff auf Googles Suchergebnisseiten hat, spielt auch hier der Faktor “Zufall” eine (zu) große Rolle.
Außerdem scheint das “Gedächtnis” von ChatGPT nicht ausdauernd genug zu sein, um Keywords nicht zwei verschiedenen Clustern zuzuordnen.

Suchintention ermitteln
Ganz ähnlich verhält es sich beim Ermitteln der Suchintention. Auch hier ist es entscheidend, auf Daten zuzugreifen, die außerhalb von ChatGPT liegen:
- Was für eine Art von Seiten rankt auf den vorderen Plätzen?
- Welche SERP-Integrationen gibt es?
- Mit welchem Content ranken die Mitbewerber?
Das merkt man den Ergebnissen schnell an. Schon beim ersten Keyword zeigt ein Blick in Googles Suchergebnisse, dass die Suchintention völlig falsch eingeschätzt wurde:

Keywords / Entitäten extrahieren
Entitäten aus Texten oder Datensätzen zu extrahieren, ist mein tägliches Brot. Auch ChatGPT kann das. Die Ergebnisse sehen zwar auch hier recht überzeugend aus, aber dass mir für denselben Prompt mal 11 und mal 16 Entitäten ausgegeben werden, zeigt, dass auch hier geraten und nicht gewusst wird.


Die Liste ließe sich weiterführen, aber wenn du den Abschnitt “Was ist generative KI?” aufmerksam gelesen hast, wirst du das Prinzip verstanden haben: Generative Sprachmodelle sind nicht in der Lage, zuverlässig mit Zahlen umzugehen, und durch den Zufallsfaktor entsteht ein gewisses Maß an Willkür, oder wie Albert Einstein schon wusste:
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
Albert Einstein
Genau das passiert hier: Es wird zweimal dieselbe Anforderung gestellt, und es werden unterschiedliche Ergebnisse produziert.
Das kann aber auch Vorteile haben.
Dafür kannst du KI nutzen
Den Zufallsfaktor kannst du dir aber auch zunutze machen, um gute Ergebnisse zu produzieren. Denn überall dort, wo keine objektiven, analytischen Ergebnisse erwartet werden, kann dir generative KI eine praktische Assistentin sein.
Snippets und Headlines generieren
Aktuell würde ich davon abraten, ganze Texte von einem Large Language Modell schreiben zu lassen. Vorschläge(!) für einzelne Textbausteine kann die KI aber zuliefern:
- Inspiration für (Zwischen-) Headlines
- Ideen für Title und Description – wobei auch hier wieder das Problem besteht, dass die KI nicht weiß, wie lange die Snippets sein dürfen.

Texte korrigieren lassen
In Sachen Grammatik weiß ChatGPT in der Regel zu überzeugen. Einen kurzen Text mal eben auf Rechtschreibfehler prüfen und gleich korrigieren zu lassen: kein Problem:

Wichtig: unbedingt prüfen, ob der Text nicht doch auch inhaltlich abgeändert wurde.
Reguläre Ausdrücke generieren
Eine RegEx, um in der Google Search Console Long-Tail-Keywords mit mindestens 3 Wörtern finden? Kein Problem, ChatGPT generiert sie dir in Sekunden:
Erstelle mir einen regulären Ausdruck, mit dem ich die Keywords in der Google Search Console so filtern kann, dass nur noch Keywords mit mindestens 3 Worten enthalten sind.

Strukturierte Daten erzeugen
Auch die Erstellung von strukturierten Daten eignet sich generative KI recht gut. Allerdings muss hier im Prompt sehr präzise formuliert werden, was gewünscht ist:
Erstelle mir strukturierte Daten nach schama.org vom Typ FAQ als JSON für diese Fragen und Antworten:
F: Was ist SEO?
A: SEO ist eine Disziplin, um Webseiten in Suchergebnissen sichtbarer zu machen
F: Wie lange dauert SEO?
A: Es kommt darauf an.

Um sicherzugehen, dass der Output korrekt ist, solltest du die Daten mit dem Testtool für strukturierte Daten testen, bevor zu sie auf deiner Website verwendest.
Regeln für deine Robots.txt-Datei erstellen
Sich die Syntax für Robots.txt-Dateien zu merken ist mühsam, wird sie doch nur selten gebraucht. Gut, dass ChatGPT auch das beherrscht. Einfach im Prompt eingeben, was vom Crawling ausgeschlossen werden soll und schon wird der Inhalt für die Datei generiert:
Generiere mir eine Regel für eine valide Robots.txt Datei mit folgenden Regeln:
- Verbiete das Crawling durch den Googlebot für alle URLs mit dem Parameter q
- Verbiete das Crawling für alle URLs im Verzeichnis /checkout

Auch hier gilt: zur Sicherheit noch mal mit dem Robots.txt-Tester von Google prüfen, ob der Inhalt auch wirklich korrekt ist.
Coding
Was für strukturierte Daten, die Robots.txt und reguläre Ausdrücke gilt, gilt für alles im Bereich Coding. ChatGPT kann eine große Hilfe bei der Erstellung von Code jeglicher Art sein. Falls du mehr dazu erfahren willst, empfehle ich dir den Artikel 5 KI-Tools, die bei der Entwicklung von Websites helfen von meinem Kollegen Patrick.
Fazit
Um das Beste aus ChatGPT & Co. herauszuholen, ist es wichtig, die Funktionsweise zumindest grundlegend zu verstehen. Nur so weißt du, wo die Grenzen liegen und wirst nicht das Opfer falscher Versprechungen, wie sie aktuell zuhauf gemacht werden.
Du suchst Inspiration für neue Blogposts, oder möchtest Fragen für eine FAQ sammeln? Überall wo Kreativität vor Genauigkeit ist generative KI ein praktischer Helfer.
Sobald es aber um Themen geht, bei denen Aktualität und korrekte Daten eine Rolle spielen, solltest du vorsichtig bei der Nutzung von ChatGPT und ähnlichen Tools sein.
Das Spannende an generativer KI ist aber auch, dass plötzlich Dinge möglich sind, die vorher nicht möglich waren. Wenn ich also eine Aufgabe habe, die ich vorher nicht lösen konnte und das Ergebnis nicht zu 100% korrekt sein muss, verwende ich auch für Daten-Themen gerne die GPT-Modelle.
Hier eine kleine Entscheidungshilfe:

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